Brüderchen Iwanuschka und Schwesterchen Aljonuschka

Ein Singspiel nicht nur für Kinder nach dem gleichnamigen russischen Volksmärchen (russische Version von "Brüderchen und Schwesterchen")

für Jugendchor bis zu 4 Stimmen oder gemischten Chor, einen Sprecher, Solisten, Klavier und Instrumente (Querflöte, Blockflöte, 1. Violine,

2. Violine oder Bratsche, Violoncello)

Text und Musik: Josef Meinolf Opfermann

(Uraufführung am 19.03. 1996 in der Konzertaula Kamen)

Einleitung (instrumental)

(Der Vorhang öffnet sich. Bild 1: Steppenlandschaft)

Lied Nr. 1: Es war einmal ...

Es war einmal vor langer Zeit
in einem Land so weit, so weit ...
So fangen viele Märchen an,
an die man sich erinnern kann
und die man auf der ganzen Welt,
ob jung, ob alt, sich gern erzählt.

Es lebte einst vor langer Zeit
in einem Land so weit, so weit,
bei seinen Eltern, krank und alt,
in einer Hütte nah am Welt
in Eintracht ein Geschwisterpaar,
ganz arm, doch glücklich, Jahr um Jahr.

Es war einmal vor langer Zeit
in einem Land so weit, so weit ...
Das Märchen ist euch wohlbekannt,
doch spielt es nicht in unsrem Land:
von Brüderchen Iwanuschka
und Schwesterchen Aljonuschka.

Erzähler:
Es lebten einmal ein alter Mann und seine Frau, die hatten eine Tochter Aljonuschka und einen kleinen Sohn Iwanuschka. Mutter und Vater waren schon alt und krank, und als sie starben, blieben Aljonuschka und Iwanuschka mutterseelenallein zurück, ohne Verwandte, ohne Bekannte.

(Iwanuschka und Aljonuschka kommen langsam aus dem Hintergrund nach vorn.)

Lied Nr. 2: Was soll nur aus uns werden? (Duett)
Iwanuschka:
„Ach, Schwesterchen Aljonuschka, was soll nur aus uns werden?
Wir haben keine Eltern mehr, wir haben nur uns auf Erden.“
Aljonuschka:
„Ach, Brüderchen Iwanuschka, was nützen uns die Klagen?
Wir müssen für uns selber sorgen, alles gemeinsam tragen.“
Iwanuschka:
„Ach, Schwesterchen Aljonuschka, wie sollen wir denn leben?
Wer wird uns kleiden, schlafen legen und uns zu essen geben?“
Aljonuschka:
„Ach, Brüderchen Iwanuschka, das wird sich alles finden.
Gemeinsam werden wir die Not und Armut schon überwinden.“
Iwanuschka und Aljonuschka:
„Komm, lass uns unser Glück versuchen, in die Fremde wandern.
Wir finden Brot und Arbeit dort, und einer hilft stets dem andern.
Wir werden füreinander dasein. Du wirst sehen:
Das Leben wird barmherzig sein. Es wird uns schon nichts geschehen.

Erzähler:
Da gingen sie in die weite Welt, um ihr Glück zu versuchen. Sie gingen einen langen Weg, durch die unendliche Weite von Feldern und Steppen. Die Sonne brannte auf sie hernieder, und die Hitze quälte sie sehr. Der kleine Iwanuschka litt besonders unter der Hitze und bekam großen Durst.

(Aljonuschka und Iwanuschka gehen langsam über die Bühne. Aljonuschka
zieht ihren Bruder hinter sich her.)

Iwanuschka:
„Schwesterchen Aljonuschka, ich möchte trinken. Ich habe so schrecklichen Durst.“
Aljonuschka:
„Warte, Brüderchen, wir kommen schon noch zu einem Brunnen.“

Erzähler:
Sie gingen weiter. Sie gingen und gingen, die Sonne brannte, und der Brunnen war noch weit entfernt.
Da sahen sie einen Teich, und um den Teich herum weidete eine Herde Kühe.

(Neues Bild: Teich mit Kühen, dargestellt durch Spieler mit Masken, eventuell choreographisch ausgestaltet.)

Lied Nr. 3: Mut, nur Mut! (Lockruf der verzauberten Kühe)
„Mut, nur Mut! Komm nur her!
Trinke und mach dir nicht das Leben so schwer!
Lösche deinen Durst geschwind.
Trink dich satt! Komm her, mein Kind!

Mut, nur Mut! Trinke wie wir!
Wasser brauchen Mensch und Tier.
Wasser löscht den Durst geschwind.
Trink dich satt! Komm her, mein Kind!“

Iwanuschka:
„Ach, Schwesterchen Aljonuschka, wenn du wüsstest, wie gern ich aus dem Teich trinken möchte! Es kommt mir schon vor, als würden mich die Kühe rufen und zum Trinken einladen.

Aljonuschka:
„Trink nicht, Brüderchen! Der Teich ist verzaubert, und auch die Kühe sind verzaubert. Dieses Land gehört einer bösen Zauberin. Trink nicht, sonst wirst du ein Kälbchen!“

Erzähler:
Iwanuschka gehorchte, und sie gingen weiter.
Sie gingen und gingen, die Sonne brannte, und der Brunnen war noch weit.

Da sahen sie einen Fluss, und am Ufer weidete eine Herde Pferde.


(Neues Bild: Flusslandschaft mit Pferden, dargestellt durch Spieler mit Masken, eventuell choreographisch ausgestaltet.)

Lied Nr. 4: Trinke wie wir! (Lockruf der verzauberten Pferde)
„Komm nur her und trinke wie wir!
Wasser braucht der Mensch wie das Tier.
Wasser löscht den Durst auch dir geschwind. Komm doch nur her!
Trink und mach dir doch das Leben nicht unnötig schwer!

Komm nur her! Wir spielen gern mit dir!
Wenn du willst, bist du so frei wie wir!
Lösche erst mal deinen Durst geschwind und dann komm her!
Trink und mach dir doch das Leben nicht unnötig schwer!“

Iwanuschka:
„Ach, Schwesterchen Aljonuschka, ich möchte schrecklich gern aus dem Fluss trinken! Es kommt mir schon vor, als würden die Pferde mich rufen und zum Trinken einladen.“
Aljonuschka:
„Trink nicht, Brüderchen! Der Fluss ist verzaubert, und auch die Pferde sind verzaubert. Dieses Land gehört einer bösen Zauberin. Trink nicht, sonst wirst du ein Fohlen!“

Erzähler:
Iwanuschka seufzte, und sie gingen weiter.
Sie gingen über das freie Feld, durch die unendliche Weite. Die Sonne ging schon unter, aber immer noch war es sehr warm und trocken, und der Brunnen war noch weit. Da sahen sie einen See, und um ihn herum weidete eine Herde Ziegen.

(Neues Bild: See bei Sonnenuntergang, um ihn herum eine Herde Ziegen, dargestellt durch Spieler mit Masken, eventuell choreographisch ausgestaltet.)

Lied Nr. 5: Komm nur her! (Lockruf der verzauberten Ziegen)
„Komm nur her und trinke wie wir!
Wasser brauchen Mensch und Tier.
Wasser löscht den Durst, löscht den Durst geschwind.
Komm nur her, trink dich satt, mein Kind!“

Iwanuschka:
„Ach, Schwesterchen Aljonuschka, ich möchte schrecklich gern aus dem See trinken! Es kommt mir schon vor, als würden die Ziegen mich rufen und zum Trinken einladen.“
Aljonuschka:
„Trink nicht, Brüderchen! Der See ist verzaubert, und auch die Ziegen sind verzaubert. Dieses Land gehört einer bösen Zauberin. Trink nicht, sonst wirst du ein Ziegenböckchen!“

Iwanuschka: (ungeduldig)
„Aljonuschka, ich halte ess einfach nicht mehr aus! Ich muss jetzt trinken. Ich will lieber ein Ziegenböckchen sein als verdursten. Jetzt trinke ich mich satt!“

(Aljonuschka will Iwanuschka noch zurückhalten, aber er reißt sich los, rennt zum Wasser, wirft sich auf die Knie und trinkt in großen Zügen ... und verwandelt sich in ein Ziegenböckchen {Maske}. Es schreit kläglich und schmiegt seinen Kopf in Aljonuschkas Schoß. Aljonuschka streichelt das Zicklein, um es zu trösten, fängt aber selbst auch an zu weinen.)

Lied Nr. 6: Ich trenne mich niemals von dir!
„Ach, Brüderchen Iwanuschka, was wird nun aus uns beiden?
Warum nur müssen wir auch noch ein solches Unglück leiden?
Und doch bleibst du mein Brüderchen, ich werde zu dir stehen.
Ich trenne mich niemals von dir, was immer mag geschehen.

Ach, Brüderchen Iwanuschka, was soll nun aus mir werden?
Nun hab ich nur dich Zicklein hier, sonst niemanden auf Erden.
Und doch will ich dir Schwester sein und immer nach dir sehen.
Wir werden unsren schweren Weg auch so gemeinsam gehen.“

(Immer noch weinend, bindet Aljonuschka ihren Gürtel um den Hals des Zickleins, um es mit sich führen zu können.)

(Ein junger Kaufmann tritt auf und fragt:)

Aleksej:
„Warum weinst du, schönes Mädchen? Wer bist du und wie heißt du?“
Aljonuschka:
„Ich heiße Aljonuschka, Herr. Ach, gnädiger Herr, ich weine über mein großes Unglück. Meine Eltern sind schon gestorben, und mein kleiner Bruder Iwanuschka, der mir das Liebste auf der Welt ist, hat aus dem verzauberten See getrunken. Sieh her, er ist in ein Zicklein verwandelt worden. Jetzt habe ich niemanden mehr auf der Welt und weiß nicht, wie ich weiterleben soll.
Wie soll ich für mein Brüderchen und mich sorgen?“
Aleksej:
„Weine nicht mehr, Aljonuschka. Du bist schön und du gefällst mir sehr. Ich glaube, ein Mädchen wie dich habe ich immer gesucht. Ich möchte dich nicht wieder verlieren. Wenn du willst, kannst du bei mir bleiben.
Ich heiße Aleksej. Ich bin ein wohlhabender Kaufmann und kann gut für dich sorgen. Ich werde dich vor der bösen Zauberin beschützen. Ich werde dich lieben und behüten, und auch dein Ziegenböckchen soll es immer gut bei mir haben. -
Willst du meine Frau werden?“

(Aljonuschka überlegt eine Weile, schließlich antwortet sie:)

Aljonuschka:
„Ja, ich will. Ich will dir eine gute Frau sein und ich werde auch versuchen, dich zu lieben. Aber du musst wissen, dass ich mich niemals von Iwanuschka trennen werde.“

(Aljonuschka, Aleksej und Iwanuschka verlassen die Szene.)

Erzähler:
Der Kaufmann nahm sie mit zu sich nach Hause, und die Hochzeit wurde vorbereitet.

- Pause -

(In der Pause wird die Bühne umgeräumt für die Hochzeitsfeier im Garten des Anwesens von Aleksej.)

(Neues Bild: Anwesen des Kaufmanns mit Garten: Die Hochzeitsgesellschaft hat sich um einen festlich geschmückten Tisch im Garten des Anwesens versammelt. Der Kaufmann und seine Braut Aljonuschka bilden den Mittelpunkt der Gesellschaft. Aljonuschka, prächtig gekleidet, geht unter den Gästen umher und bietet ihnen Brot und Salz an, um sie willkommen zu heißen, während Aleksej den Gästen Getränke einschenkt. Im Hintergrund hört man Musik.)

Aleksej: (verschafft sich Gehör:)
„Liebe Gäste! Freunde! Nachbarn! Freut euch mit mir! Ich habe endlich mein Glück gefunden. Heute heirate ich meine liebe Aljonuschka, die durch einen glücklichen Zufall in mein Leben getreten ist. Ich will alles tun, damit sie ihr Unglück überwindet. Aljonuschka und ihr Ziegenböckchen sollen es immer gut bei mir haben.
Doch jetzt wollen wir feiern! Wir wollen so feiern, dass man noch lange an diese Hochzeit denkt.“

Gast 1: „Das Brautpaar soll leben!“
Gast 2: „Alles Gute!“
Gast 3: „Hoch! Hoch lebe das Brautpaar!“
Gast 4: „Aljonuschka und Aleksej! Hoch! Hoch!“

Lied Nr. 7: Tanzt und singt!
Aleksej:
„Tanzt und singt! Kommt, lasst uns alle fröhlich sein,
weil doch heute unsre Hochzeit ist!
Esst und trinkt und schenkt euch immer wieder ein!
Das soll heut ein Fest sein, das man nie vergisst!“

Gäste:
„Tanzt und singt! Kommt, lasst uns alle fröhlich sein,
weil doch heute eure Hochzeit ist!
Lasst uns essen, trinken! Kommt, schenkt noch mal ein!
Das soll heut ein Fest sein, das man nie vergisst!“

Aleksej:
„Trinkt auf meine schöne Braut Aljonuschka,
die mein Leben jetzt so glücklich macht.
Trinkt auch auf ihr Brüderchen Iwanuschka!
Beide haben in mein Haus das Glück gebracht.“

(Er tanzt mit seiner Baut.)

Gäste:
„Trinken wir auf seine Braut Aljonuschka,
die sein Leben jetzt so glücklich macht
und auch auf ihr Brüderchen Iwanuschka!
Beide haben in sein Haus das Glück gebracht.“

(Weitere Gäste tanzen. Schließlich singt der Chor der Gäste noch einmal:)

„Tanzt und singt! Kommt, lasst uns alle fröhlich sein,
weil doch heute eure Hochzeit ist!
Lasst uns essen, trinken! Kommt, schenkt noch mal ein!
Das soll heut ein Fest sein, das man nie vergisst!“
(Nach Beendigung des Liedes verlassen alle die Bühne.)

Erzähler:
Sie begannen in Liebe und Eintracht zu leben, und das Zicklein war immer bei ihnen: es lief im Garten herum, trank und aß zusammen mit seiner Schwester und ihrem Ehemann, es wurde behütet und verwöhnt.
Einmal machte der Kaufmann eine Handelsreise, und Aljonuschka blieb mit dem Zicklein allein zurück.
Davon erfuhr die böse Zauberin, die Aljonuschka um ihr Glück beneidete und sich darüber ärgerte, dass ihr Iwanuschka als Beute entkommen war. Sie überlegte, wie sie Aljonuschka verderben könnte.

(Neue Szene: Aljonuschka und Iwanuschka treten auf: Aljonuschka setzt sich an den Tisch und trinkt Tee. Sie gibt Iwanuschka etwas Gebäck und streichelt ihn. Iwanuschka will aus ihrer Tasse trinken.)

Aljonuschka:
„Nein, nein, Iwanuschka! Tee ist nichts für dich! Komm mit! Ich gebe dir etwas anderes zu trinken!“

(Aljonuschka steht vom Tisch auf und verlässt die Szene; das Zicklein folgt ihr.
Von der Seite schleicht die in einen weiten Mantel gehüllte Zauberin zum Tisch und schüttet etwas in Aljonuschkas Tee, dann schlecht sie sich wieder fort.
Aljonuschka kehrt zurück, trinkt im Vorübergehen aus ihrer Tasse und geht zur Seite fort.)

Erzähler:
Die Zauberin brachte eine Krankheit über sie. Aljonuschka wurde mager und bleich, und im Hause trauerte alles mit: die Blumen im Garten begannen zu welken, die Bäume zu vertrocknen, das Gras, fahl zu werden.

Zwischenspiel (instrumental)

(Neues Bild: Stube im Haus des Kaufmanns. Aljonuschka liegt bleich und krank im Bett. Die Zauberin kommt zu ihr. Aljonuschka erschrickt bei ihrem Anblick und sagt mit schwacher Stimme:)

Aljonuschka:
„Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier? Seid Ihr die Zauberin, die mein Brüderchen verwandelt hat? Seid Ihr gekommen, um mich endgültig zu verderben?“
Zauberin:
„Was redet Ihr da? Ich bin nur eine Kräuterfrau, die Euch helfen will.

Lied Nr. 8: Habt nur zu mir Vertrauen! (geheimnisvoll, etwas unheimlich, eindringlich)
„Ich will Euch helfen, Nachbarin, habt nur zu mir Vertrauen.
Ich kann die Krankheit lindern, heilen, gute Tränke brauen.
Man rühmt und schätzt mich überall, weil ich die Namen nenne,
von jeder Wurzel, jedem Kraut genau die Wirkung kenne.
Ob Liebestrank, ob Medizin, ich kann das Mittel geben,
und meine Kunst verhilft auch Euch, wenn Ihr es wollt, zum Leben.

Auch kenne ich im Fluss so eine wundersame Stelle:
Von jeder Krankheit, jedem Leiden heilt die Zauberquelle.
Wer badet dort zur rechten Zeit, kann Heilung schnell erlangen.
Die Quelle macht auch Euch gesund und rosig Eure Wangen.
Ihr müsst nur in der Dämmerung zu dieser Stelle kommen.
Die Krankheit wird zu selben Stunde noch von Euch genommen.“

Aljonuschka:
„Was muss ich tun, damit auch ich wieder gesund werde?“
Zauberin:
„Kommt heute in der Dämmerung zum Fluss. Dort, wo die Birke und die Eberesche an der Flussbiegung stehen, warte ich auf Euch.“
Aljonuschka:
„Ich werde kommen.“

Erzähler:
Als es zu dämmern begann, ging Aljonuschka zu der vereinbarten Stelle am Fluss. Dort wartete die Zauberin schon auf sie...

(Neues Bild: Fluss in der Dämmerung. Die Zauberin steht zunächst reglos da. Aljonuschka geht auf sie zu. Plötzlich ergreift sie Aljonuschka, die zu schwach ist, um sich wehren zu können, wirft ihr ein Seil mit einem Stein um den Hals und stößt sie in den Fluss.)

Zauberin:
„Jetzt habe ich es geschafft! Jetzt kannst du mir nicht mehr meine Beute streitig machen. Jetzt hole ich mir dein Brüderchen! Und ich will doch mal sehen, ob mir ein Leben, wie du es geführt hast, nicht auch gefällt!“

(Die Zauberin wirft ihren Mantel ab. Sie ist darunter gekleidet wie Aljonuschka. Höhnisch lachend verlässt sie die Szene.)

Erzähler:
Die Zauberin verwandelte sich in Aljonuschka und ging ins Haus. Als der Kaufmann von der Reise zurückkehrte, bemerkte er nicht, dass ihn dort eine falsche Aljonuschka erwartete. Dafür hatte die Zauberin mit ihrem Blendwerk gesorgt.

(Neues Bild: Stube im Haus des Kaufmanns. Die falsche Aljonuschka fegt eine Weile die Stube, bis Aleksej die Szene betritt. Sie stellt den Besen ab; Aleksej begrüßt und umarmt seine vermeintliche Frau.)

Aleksej:
„Guten Abend, meine liebe Aljonuschka.
Ach, es ist schön, wieder zu Hause zu sein! Aber ich bin hungrig.
Lass uns zu Abend essen!“

Zauberin:
„Gut, ich decke den Tisch. Setz dich und ruh dich aus.“

(Aleksej setzt sich. Die falsche Aljonuschka beginnt, den Tisch zu decken. Sie macht dabei kein besonders freundliches Gesicht.)

Aleksej:
„Was machst du denn für ein Gesicht? Ich hoffe doch, es ist alles in Ordnung hier?! Oder ist etwas geschehen, während ich nicht zu Hause war?“

(Die falsche Aljonuschka antwortet nicht sofort, sondern deckt weiter den Tisch.)

Aleksej:
„Nun sag schon! Was ist denn los? Ist irgendwer krank? Ist etwas mit deinem Ziegenböckchen? Wo ist Iwanuschka überhaupt? Er springt doch sonst immer um dich herum.“
Zauberin: (ärgerlich)
„Ich habe ihn nicht ins Haus gelassen. Damit muss jetzt Schluss sein!“

Lied Nr. 9: Schaff mir Iwanuschka vom Hals!
(Duett)
Zauberin: (aufgeregt)
„Er soll nicht mehr im Hause sein! Was soll er hier schon nutzen?!
Er stinkt und bringt nur Schmutz ins Haus, und ich muss ständig putzen!
Er soll mir nicht mehr überall und stets im Wege stehen.
Und sein Geschrei, das bin ich leid! Ich will ihn nicht mehr sehen!“
Aleksej:
„Wie kannst du nur, Aljonuschka, so etwas Böses sagen?!
Wie soll ich denn Iwanuschka aus unserm Haus verjagen?
Ich glaub‘ es nicht! Wie kannst du nur dein Brüderchen vertreiben?!
Erinn‘re dich an deinen Schwur! Er soll für immer bleiben!“
Zauberin: (ärgerlich)
„Was ich gesagt hab, ist mir gleich! Ich will davon nichts wissen!
Du wirst dich zwischen diesem Tier und mir entscheiden müssen!
Dass es hier bleibt, ertrag‘ ich nicht, es ist mir ganz zuwider!
Schaff mir Iwanuschka vom Hals! Sonst siehst du mich nie wieder!“
Aleksej: (ruhig)
„Ich will das nicht mehr hören. Iwanuschka soll bleiben!
Ich musste dir einst schwören, ihn niemals zu vertreiben.
Ich breche doch nicht meinen Schwur und schick‘ ihn ins Verderben.
Aljonuschka, wie kannst du nur?! Soll denn dein Böckchen sterben?!“
Zauberin: (sehr heftig)
„Ich sag es dir zum letzten Mal! Das Tier ist mir zuwider!
Schaff mir Iwanuschka vom Hals, sonst siehst du mich nie wieder!
Ich darf doch wohl erwarten, dass du meinen Willen achtest.
Schaff mir das Tier für immer fort! Ich will, dass du es schlachtest!“

Aleksej: (sagt verwundert und ärgerlich)
„Ich muss mich sehr über dich wundern. Ich erkenne dich ja kaum wieder! Aber nun gut, dann soll es eben geschlachtet werden. Es ist ja schließlich dein Böckchen. Und ich will Ruhe und Frieden im Hause haben.“

(Aleksej und die falsche Aljonuschka verlassen die Szene.)

(Neues Bild: Anwesen des Kaufmanns mit Garten. Man hört, dass mit Töpfen hantiert wird und dass Messer geschliffen werden. Iwanuschka läuft unruhig hin und her.)

Aleksej:
„Was ist denn los, Iwanuschka? Spürst du etwa, was mit dir passieren soll?!“

(Iwanuschka läuft mehrmals zwischen ihm und dem Gartenzaun hin und her und gibt ihm zu verstehen, dass er aus dem Garten gelassen werden möchte.)

Aleksej:
„Ja, ja, ich verstehe dich schon. Du möchtest ein bisschen mehr Auslauf haben. Lauf nur! Genieße noch ein bisschen dein Leben!“

Erzähler:
Der Kaufmann ließ das Zicklein aus dem Garten. Es lief zum Fluss zu der Stelle, an der Aljonuschka versunken war.

(Neues Bild: Flussufer. Iwanuschka steht am Fluss und ruft Aljonuschka um Hilfe:)


Lied Nr. 10: Hilf mir! (anschließend)
Lied Nr. 11: Ich kann dir keine Hilfe sein ...

Iwanuschka: (aufgeregt)
„Schwimm her zu mir, Aljonuschka,
dein Bruder ruft, Iwanuschka.
Hilf mir in Todesnöten!
Die Zauberin will mich töten!
Man lärmt schon mit Messern und Kesseln,
bald kommen sie, um mich zu fesseln,
die mir nach dem Leben trachten.
Aljonuschka, man will mich schlachten!“

(Aljonuschka erscheint schemenhaft und antwortet:)

Aljonuschka:
„Ich kann dir keine Hilfe sein:
an meinem Hals hängt schwer ein Stein,
zieht mich hinab ins kalte Nass,
und auf dem Grund das Seidengras
hält mir gefesselt Fuß und Hand,
auf meiner Brust liegt schwerer Sand.
Ich käme gern zu Hilfe dir
und kann doch selbst nicht fort von hier.“

(Die Erscheinung verschwindet. Iwanuschka trottet traurig davon.)

(Neues Bild: Stube im Haus des Kaufmanns. Niemand ist auf der Bühne. Man hört nur das Geräusch von klappernden Töpfen und Messerschleifen.)


(Neues Bild: Garten beim Haus des Kaufmanns. Iwanuschka läuft wieder unruhig hin und her, während man immer noch das Töpfeklappern und Messerschleifen hört; Aleksej beritt die Szene.)


Aleksej:
„Armer Iwanuschka! Ich glaube, du ahnst schon, was mit dir geschehen soll. Aber was soll ich machen? Ich habe keine andere Wahl.“

(Iwanuschka läuft zwischen ihm und dem Gartenzaun hin und her und gibt ihm zu verstehen, dass er aus dem Garten gelassen werden möchte.)

Aleksej:
„Ja, ja, ich verstehe dich. Du möchstest noch ein bisschen Freiheit haben.
Lauf nur!“

(Er lässt das Zicklein aus dem Garten. Aber er wird etwas nachdenklich und sagt zu sich selbst:)

Aleksej:
„Merkwürdig! Weshalb will Iwanuschka in letzter Zeit immer zum Fluss laufen? Das hat er doch früher nicht getan! Auch meine Aljonuschka ist nicht mehr so wie früher. Irgendetwas stimmt hier nicht. Sollte etwa die böse Zauberin ihre Hand im Spiel haben? Ich will doch mal sehen, was Iwanuschka am Fluss mach.“

(Er geht ihm nach.)

(Neues Bild: Flussufer. Iwanuschka steht wieder am Fluss und ruft Aljonuschka:)

Lied Nr. 10: Hilf mir! (Wiederholung mit einer Textvariante)
Lied Nr. 11: Ich kann dir keine Hilfe sein ... (Wiederholung)
Iwanuschka: (aufgeregt)
„Schwimm her zu mir, Aljonuschka,
dein Bruder ruft, Iwanuschka.
Hilf mir in Todesnöten!
Die Zauberin will mich töten!
Ich komme vielleicht zum letzten Mal,
man wetzt schon die Messer aus blankem Stahl,
um mir nach dem Leben zu trachten.
Aljonuschka, man will mich schlachten!“

(Aljonuschka erscheint schemenhaft und antwortet:)

Aljonuschka:
„Ich kann dir keine Hilfe sein:
an meinem Hals hängt schwer ein Stein,
zieht mich hinab ins kalte Nass,
und auf dem Grund das Seidengras
hält mir gefesselt Fuß und Hand,
auf meiner Brust liegt schwerer Sand.
Ich käme gern zu Hilfe dir
und kann doch selbst nicht fort von hier.“

(Aleksej springt aus seinem Versteck hervor und ruft laut:)

Aleksej:
„Ihr Nachbarn, herbei! Leute, hierher! Helft mir! - Wo bleibt ihr denn?!“

(Von verschiedenen Seiten laufen Nachbarn herbei und umringen Aleksej.)

Nachbar 1: „Was ist denn los?!“
Nachbar 2: „Wozu brauchst du unsere Hilfe?“

Aleksej:
„Ich habe die Stimme meiner Aljonuschka aus dem Fluss gehört! - Ja, glaubt mir, um Gottes willen! Ich habe es mit eigenen Ohren gehört!
Sie muss noch am Leben sein! Sie muss auf dem Grund des Flusses liegen.
Schafft Netze herbei und werft sie aus. Beeilt euch! Wir müssen Aljonuschka retten!“

(Die Nachbarn laufen nach verschiedenen Richtungen fort und kehren schnell mit Netzen zurück. In kleineren Gruppen suchen sie den Fluss ab und werfen Netze aus. Nach kurzer Zeit ertönen aus eine Gruppe Rufe.)

Nachbar 3: „Hier ist etwas! Hierher, Leute!“
Nachbar 4: „Ja, kommt hierher! Hier ist sie!“
Nachbar 3: „Aleksej! Hierher! Wir haben Aljonuschka gefunden!“

(Gemeinsam ziehen sie die leblos scheinende Aljonuschka aus dem Wasser. Sie tragen Aljonuschka in die Mitte der Bühne und legen sie dort nieder. Aleksej nimmt den Stein von ihrem Hals und küsst sie auf die Stirn. - Aljonuschka schlägt die Augen auf.)

Aljonuschka:
„Aleksej! Iwanuschka! Endlich bin ich wieder bei euch.“
Aleksej:
„Ja, Aljonuschka! Und so soll es für immer bleiben!“

(Er hilft Aljonuschka beim Aufstehen. Dann umarmt und küsst er sie und kann sich gar nicht genug freuen. Das Ziegenböckchen läuft zu Aljonuschka und Aleksej und tollt ausgelassen um sie herum. Vor lauten Freude macht es dreimal einen Luftsprung ...
und wird dadurch wieder das Brüderchen Iwanuschka. Aljonuschka umarmt Iwanuschka und ihren Mann. Die Umstehenden jubeln ihnen zu und freuen sich über das Wunder.)

Aleksej:
„Kommt alle mit, Leute! jetzt feiern wir ein Fest! Alle sollen sich mitfreuen, dass ich meine liebe Frau wiederhabe!“
Aljonuschka:
„... und ich meinen Bruder Iwanuschka!“
Iwanuschka:
„... und ich meine Schwester Aljonuschka!“

(Die Melodie „Tanzt und singt“ wird nur auf dem Klavier gespielt. Der restliche Chor kommt auf die Bühne und stellt sich im Hintergrund auf.)

Erzähler:
Im Garten begann alles wieder zu grünen und zu blühen.
Der Kaufmann erfuhr, wie alles geschehen war, und ließ die Zauberin fortjagen bis hinter die verwunschenen Wälder, bin in die morastigen Sümpfe...

(Die Zauberin, wieder in ihren weiten Mantel gehüllt, rennt über die Bühne und verschwindet wieder.)

Erzähler:
Und was wurde aus Aljonuschka und Iwanuschka?

(Letztes Bild: Steppenlandschaft mit dem Titel des Märchens. Der Chor tritt zum Schlusslied nach vorn.)

Lied Nr. 12: Und so lebte Aljonuschka ...
(Schlusslied nach der Melodie eines russischen Volksliedes)

Und so lebte Aljonuschka
mit ihrem kleinen Bruder Iwanuschka
und ihrem lieben Ehemann,
und ein Leben voller Glück für sie begann.

Dieses Märchen ist auf der Welt
beliebt bei jung und alt und wird gern erzählt
als Beispiel, wie man als Frau und Mann
oder Bruder, Schwester wahrhaft lieben kann.

Nun ist unser Märchen aus,
wir gehen jetzt, genau wie ihr, nach Haus.
Wir haben es euch gern erzählt,
und wir hoffen sehr, dass es auch euch gefällt.

Ende (Vorhang)

(Während sich die Spieler und Sänger verbeugen, spielt die Instrumentalgruppe noch einmal die Einleitung.)

Anmerkung:
Die Regieanweisungen in dieser Spielfassung basieren auf der konkreten Inszenierung bei der Uraufführung und bei den weiteren Aufführungen in Kamen; sie sind nur als Vorschläge und Anregungen zu verstehen. Der Phantasie sind natürlich keine Grenzen gesetzt.
Partitur und Stimmenauszüge können bei mir angefordert werden.
Das musikalische Märchen kann mit weniger Aufwand auch als Kantate aufgeführt werden. Ein entsprechender Text wird noch erstellt.